Int. FIA Formel 3000-Meisterschaft 2003

"Null-Runde" am Nürburgring für die Tabellenführer

Nürburg - Mit einem Ausfall aller drei bis dato an der Tabellenspitze liegenden Piloten endete der fünfte Lauf der Int. FIA Formel 3000-Meisterschaft im Rahmen des Grand Prix von Europa auf dem Nürburgring. Björn Wirdheim und Ricardo Sperafico elimierten sich bei einer Kollision gegenseitig, während Giorgio Pantano bei einem heftigen Ritt über die Curbs des Eifel-Kurses seinen Lola beschädigte. Von den Patzern der Favoriten profitierten die Verfolger. Enrico Toccacelo gewann vor Vitantonio Liuzzi sowie Nicolas Kiesa, und auch wenn Wirdheim weiterhin mit 34 Punkten und 10 Zählern deutlich das Geschehen an der Spitze bestimmt, ist mit diesem Ergebnis die Tabelle wieder ein wenig enger zusammengerückt.

Zur Halbzeit der Saison konnte man kann folgendes Resumee ziehen: Hinter dem Tabellenführer Björn Wirdheim aus Schweden war die Luft spürbar dünner geworden, oder anders ausgedrückt: Nach seinem selbstverschuldeten Patzer in Monaco, wo Wirdheim den Sieg zwar an Nicolas Kiesa verschenkte, sich jedoch mit dem zweiten Platz noch akzeptabel aus der Affäre ziehen konnte, gab es am Nürburgring eine komplette "Null-Runde" und die Konkurrenz konnte etwas aufschliessen.

Nach dem Qualifying war für den Schweden noch alles im grünen Bereich: Bei wechselhafter Witterung stand der rote Arden-Motorsport-Lola von Björn auf dem besten Startplatz vor Ricardo Sperafico, Enrico Toccacelo und Patrick Friesacher. Damit zeigte der Österreicher überdeutlich, dass er nach seiner verletzungsbedingten Pause wieder fit war. „Lediglich das Handgelenk schmerzt noch ein wenig“. Enttäuschend verlief dagegen vor heimischer Kulisse das Qualifying von Tony Schmidt der sich mit mysteriösem Untersteuern herumplagte.

Und unter dem Stichwort enttäuschend kann auch Björn Wirdheim dieses Rennen abhaken. Der Schwede hatte den besten Start, doch auch Ricardo Sperafico liess nichts anbrennen und hängte sich sofort ans Heck von Wirdheim's Lola, der im ersten Kurvenkomplex den Bremspunkt verpasste und vom Brasilianer torpediert wurde. „Ich gebe zu,dass ich mich wirklich verbremst habe. Das war mein Fehler, und das nehme ich auch auf meine Kappe. Aber ich kann nicht glauben, was Ricardo dann gemacht hat. Ich habe in die Kurve eingelenkt und habe Ricardo wirklich viel Platz gelassen. Doch er hat mich immer weiter auf’s Grass gedrängt, bis die Kollision unvermeidlich war“, entrüstete sich Wirdheim, während Sperafico auf diesen Vorfall angesprochen mit Schweigen antwortete. Sowohl Wirdheim als auch Sperafico mussten dann an die Box fahren, um ihre havarierten Autos wieder richten zu lassen, und die Hoffnung auf weitere Meisterschaftszähler zerplatzte damit wie eine Seifenblase.

Neuer Spitzenreiter war damit Enrico Toccacelo, der pikanterweise nun von Vitantonio Liuzzi verfolgt wurde. Die beiden Italiener waren sich noch vor vier Wochen in Monaco in die Autos gefahren und hatten damit die Budgets ihrer Teams bis an die Schmerzgrenze belastet; hier am Nürburgring sassen beide in brandneuen Lolas. Doch obwohl Liuzzi zeitweise den Abstand zu Toccacelo etwas verringern konnte, hatte der Supernova-Pilot alles fest im Griff und bescherte damit seinem Boss David Sears den ersten Saisonsieg. Glücklicher Dritter, und das in zweierlei Hinsicht, wurde Nicolas Kiesa. Der Däne fabrizierte einen sehr deutlichen Frühstart, welcher jedoch von den Sportkommissaren kurioserweise nicht geahndet wurde. Der dritte Platz fiel ihm dann, ähnlich wie der Sieg in Monte Carlo, kampflos in den Schoss, nachdem sich Patrick Friesacher und Townsend Bell gegenseitig eliminiert hatten. Bis zur vierten Runde konnte Patrick einen ausgezeichneten dritten Platz halten, als der viertplazierte Bell eine völlig unnötige Attacke ritt. „Ich wusste, dass Bell knapp hinter mir war. Aber dann versuchte er mich in der ersten Kurve auszubremsen. Ich konnte ihn nicht mehr sehen weil er sich im toten Winkel meiner Rückspiegel befand, und dann hat’s auch schon gekracht“. An Friesachers Red Bull-Lola wurde der Heckflügel durch die Kollisionswucht abgerissen, und wild schlingernd fuhr der Österreicher an die Boxen. Der Kalifornier musste ebenfalls aufgeben, und an der Boxenmauer entwickelte sich dann eine sehr emotionale Konversation.

Nicolas Kiesa fuhr hinter dem italienischen Duo auf einem einsamen dritten Rang, während Yannick Schroeder seine ganze Kunst aufbieten musste, um Derek Hill auf Distanz zu halten, der seinerseits von Jeffrey van Hooydonk gehetzt wurde. Doch der Belgier überforderte bei der flotten Gangart seine Reifen und verlor gegen Rennmitte gleich zwei Plätze. Zuerst zog Jaroslav Janis an ihm vorbei, und einige Runden später auch noch Raffaele Giammaria, der ein wahres Feuerwerk abbrannte. In der siebten Runde musste Giammaria seinen Durango-Lola bis zum Stillstand abbremsen, um nicht mit seinem Teamkollegen Gorgio Pantano zu kollidieren, der sich nach einer Flugeinlage über die Curbs nicht nur den Frontspoiler demolierte, sondern sich auch noch vor dem verdutzten Giammaria drehte. Für den ehemaligen Deutschen Formel 3-Meister konnte dieses Eifel-Wochenende leider nur unter der Rubrik Enttäuschung und Frustration eingeordnet werden. Im Qualifying vertat sich Pantano total mit dem Set-up und nach seiner Flugshow im Rennen mit anschliessendem Boxenservice fuhr der Italiener dann lustlos dem Feld hinterher und gab schliesslich in der vorletzten Runde entnervt auf. Dagegen lief es für Raffaele Giammaria um so besser. Von ganz hinten arbeitete er sich stetig nach vorne und überholte innerhalb kürzester Zeit Tony Schmidt, Phil Giebler und schliesslich auch noch Jeffrey van Hooydonk.

Seinen Auftritt vor heimischer Kulisse hatte sich Tony Schmidt wohl auch etwas positiver vorgestellt. Beim Start in die Einführungsrunde starb der Motor ab und obwohl es Tony gelang, das Zytek-Triebwerk wieder zum Leben zu erwecken, musste er sich doch für das Rennen ganz hinten einreihen. „Ich konnte die Distanz zu Giebler verringern, aber es ergab sich leider keine geeignete Situation vorbeizukommen“. Björn Wirdheim konnte immerhin noch mit der Genugtuung den Nürburgring verlassen, die schnellste Rennrunde gefahren zu sein. „Ja, dieser Unfall mit Sperafico war ärgerlich und unnötig. Aber deswegen gerate ich nicht in Panik. Meine Taktik ist noch nicht ins Wanken geraten. Konstant punkten ist meine Devise, und genau das habe ich mir für das nächste Rennen in Magny-Cours vorgenommen“. Einziger „Schönheitsfehler“ in Wirdheim's Rechnung: Das Gleiche planen auch seine härteste Konkurrenten, nämlich Enrico Toccacelo, Giorgio Pantano, Nicolas Kiesa und Ricardo Sperafico.

Resultate Formel 3000 - 5. Lauf - Nürburgring / D:
 1. Enrico Toccacelo/ I, Super Nova Racing, 30 Runden (= 154,423 km) in 55:17,457 h (= 167,574 km/h)
 2. Vitantonio Liuzzi/ I, Red Bull Junior Team F3000 +0,483 sec.
 3. Nicolas Kiesa/ DK, Den Blä Avis +14,530
 4. Yannick Schroeder/ F, Superfund-ISR Charouz +26,412 sec.
 5. Derek Hill/ USA, Super Nova Racing +26,777 sec.
 6. Jaroslav Janis/ CZ, Superfund-ISR Charouz +27,090 sec.
 7. Raffaele Giammaria/ I, Durango Formula +41,429 sec.
 8. Jeffrey van Hooydonk/ B, Team Astromega +44,221 sec.
 9. Phil Giebler/ USA, Den Blä Avis +44,384 sec.
10. Tony Schmidt/ D, Team Astromega +44,896 sec.
11. Zsolt Baumgartner/ H, Coloni Motorsport +45,415 sec.
12. William Langhorne/ USA, BCN F3000 +1:06,277 sec.
13. Björn Wirdheim/ S, Arden Int. Motorsport +1:19,217 sec.
14. Ricardo Sperafico/ BR, Coloni Motorsport +1:22,209 sec.
15. Valerio Scassellati/ I, BCN F3000 - 1 lap
16. Giorgio Pantano/ I, Durango Formula - 2 laps

Nicht gewertet:
Townsend Bell/ USA, Arden Int. Motorsport, Rde 26 (Kollision mit Friesacher)
Patrick Friesacher/ A, Red Bull Junior Team, Rde 26 (Kollision mit Bell)

Schnellste Rennrunde:
Björn Wirdheim (S), Arden Int. Motorsport in 1:49,026 (= 169,985 km/h)
(Quelle: Rennsport-Presse-Info-Service)