Int. FIA Formel 3000-Meisterschaft 2003

Wirdheim und der dümmste Fehler seines Lebens

Monte Carlo - Verrückt, eigenartig, speziell und sehr ereignisreich: Mit diesen Attributen könnte man den vierten Formel 3000-Saisonlauf in Monte Carlo belegen. Der Schwede Björn Wirdheim dominierte das ganze Wochenende, und leistete sich dann den dümmsten Fehler seiner bisherigen Motorsport-Karriere, wonach Nicolas Kiesa seinen ersten Formel 3000-Sieg praktisch als Geschenk auf dem Silbertablett serviert bekam. Trotz kleinerer Fehler auf seiner schnellsten Runde platzierte Wirdheim seinen Arden-Lola auf den besten Startplatz vor Ricardo Sperafico, Giorgio Pantano und Vitantonio Liuzzi, der zum ersten Mal durch die Häuserschluchten des Fürstentums brauste.

Die erwartungsgemäss spektakulären Unfälle produzierten diesmal Alessandro Piccolo, der ausgangs der Casino-Kurve die Kontrolle über seinen Lola verlor und im spitzen Winkel in die Leitplanken einschlug, sowie Phil Giebler mit einer Pirouette mit anschliessendem Crash in die Streckenbegrenzung in der Schwimmbad-Schikane. Piccolo zog sich bei seinem Unfall eine starke Rückenprellung zu und konnte das Rennen am Samstag nur aus der Zuschauerperspektive erleben. Indirekt trug der Italiener auch etwas „Mitschuld“ am schlechten Abschneiden von Tony Schmidt. „Im freien Training habe ich die Leitplanken berührt und mir dabei die Aufhängung verbogen. Mein Team hat phantastisch gearbeitet und mir in Rekordzeit wieder ein rennbereites Auto auf die Räder gestellt. Dennoch blieben mir nur noch die letzten 10 Minuten des Qualifyings und dann nur noch eine fliegende Runde, als die Sitzung wegen dem Piccolo-Unfall vorzeitig beendet wurde“. Bernhard Auinger war mit seinem Monte Carlo-Debut zumindest im Qualifying zufrieden, „... wenn man berücksichtigt, dass mich irgendwann mal ein Den Blä Avis-Auto berührt hat“.

Björn Wirdheim zog dann mit seinem roten Lola sofort in Führung und dominierte das Rennen bis zur letzten Runde und den letzten 20 Metern, wo er sich dann bis auf die Knochen blamierte. Ricardo Sperafico und Giorgio Pantano führten das Verfolgerfeld mit Enrico Toccacelo und Vitantonio Liuzzi an, während die Rennleitung gleich mehrere Fahrer mit einer „Drive-thru-penalty“ durch die Boxengasse bestrafte, weil sie die Schikanendurchfahrt ignoriert wurde: Tony Schmidt, Yannick Schroeder und Derek Hill gehörten zu den Unglücklichen, während zu diesem Zeitpunkt Phil Giebler seinen Lola schon geparkt hatte. „Nach der Aufwärmrunde bekam ich plötzlich starke Schulterschmerzen. Vieilleicht habe ich mir bei meinem Unfall im Qualifying irgend einen Nerv eingeklemmt. Es hatte überhaupt keinen Sinn, das Rennen erst aufzunehmen“. Allerdings war da wohl sein Teamchef David Sears komplett anderer Meinung, was man unschwer an dem Gesichtsausdruck des Briten auf dem TV-Monitor ablesen konnte.

Während Wirdheim fehlerfrei seine Runden abspulte, sorgte Hill mit einem Dreher für die ersten Schrecksekunden, doch die Marshalls konnten den Wagen des Amerikaners wieder aus der Gefahrenzone schieben, worauf die Rennleitung Hill sofort wegen Inanspruchnahme fremder Hilfe disqualifizierte. Nach dem ersten Renndrittel musste Tony Schmidt sein Rennen vorzeitig beenden, „... weil sich plötzlich mysteriöse Vibrationen einstellten. Keine Ahnung was der Grund ist“. Das Rennen war bis zur Halbzeit ziemlich ereignislos, doch dann überschlugen sich förmlich die Ereignisse. Ricardo Sperafico quälte sich mit abbauenden Reifen herum, worauf Pantano immer dichter aufschliessen konnte, und als sich der Brasilianer auch noch einen Schaltfehler leistete, erhielt der Italiener den zweiten Platz praktisch kampflos. Nach einem Boxenstopp für frischen Gummi fiel Sperafico hoffnungslos zurück, und ihm drohte dann sogar die Überrundung durch die Spitze.

Wirdheim kam problemlos vorbei, während Pantano von Sperafico in die Streckenbegrenzung gedrückt wurde. Damit wurde dann die nächste Disqualifikation fällig. Doch einige Runden zuvor sorgten Enrico Toccacelo und Vitantonio Liuzzi für den Supergau: Liuzzi fuhr rundenlang hinter Toccacelo, „... der deutlich langsamer war und mich ständig blockiert hatte. Zudem hat er mehrfach die Schikane ausgelassen. Plötzlich bremste er auf der Anfahrt zur Schwimmbad-Schikane gute 30 Meter zu früh, und da hatte ich keine Chance mehr“. Was aus dem Mund von Liuzzi ziemlich nüchtern klang, sah in der Realität ziemlich spektakulär und gefährlich aus. Nachdem der Red Bull-Lola in das Heck von Toccacelos Auto fuhr, setzte Liuzzi plötzlich zum Flug an (gemäss dem bekannten Werbespruch seines Sponsors) und schlidderte dann an der Leitplanke entlang, während Toccacelos Auto wild durch die Gegend kreiselte und ebenfalls mehrfach einschlug.

Liuzzis Auto war danach ein Totalschaden, und der Lola von Toccacelo war auch nicht weit davon entfernt. Das Safety Car neutralisierte dann für einige Runden das Rennen, und nach dem Neustart war bei Wirdheim immer noch alles im grünen Bereich. Seine Verfolger waren nun Nicolas Kiesa und Raffaele Giammaria. Doch dann machte der Schwede etwas, das ihn zur absoluten Lachnummer abstempelte: Wenige Meter vor dem Zielstrich verlangsamte er seine Fahrt, fuhr ganz dicht an die Leitplanken heran und wollte seinem Team danken. Doch dieser Schuss ging nach hinten los. Die Drehzahl sackte in den Keller und bevor der Zytek-Motor wieder auf Touren kam, war Nicolas Kiesa schon als überraschter Sieger abgewunken worden. „Okay, das war eindeutig mein Fehler. Es war dumm und blöde, was ich gemacht habe“, kanzelte sich Wirdheim später selber ab. Doch die Enttäuschung bei Arden Motorsport konnte das nicht lindern. „Wir haben uns heute hier bei dem wichtigsten Saisonrennen total lächerlich gemacht. Am liebsten würde ich im Erdboden versinken. Jetzt können wir nur alles abhaken und uns auf das nächste Rennen am Nürburgring konzentrieren“, meinte der enttäuschte Arden-Teamchef Christian Horner.

Für Bernhard Auinger sprang bei seinem Monaco-Debut ein 9. Platz heraus, „... und das ist gar nicht so schlecht wenn man bedenkt, dass das Auto total überbremste und ich den Speed der Konkurrenz nicht mitgehen konnte. Meine Taktik war dann mich aus allen Zwischenfällen herauszuhalten und den Lola heil ins Ziel zu bringen; und das ist mir gelungen“.

Resultate Formel 3000 - 4. Lauf - Monte Carlo / MC:
 1. Nicolas Kiesa/ DK, Den Blä Avis, 45 Runden (= 150, 300 km) in: 1:09:21.489 (= 130,020 km/h)
 2. Björn Wirdheim/ S, Arden Int. Motorsport +0,895 sec.
 3. Raffaele Giammaria/ I, Durango Formula +3,353 sec.
 4. Jaroslav Janis/ CZ, Superfund-ISR Charouz +3,845 sec.
 5. Zsolt Baumgartner/ H, Coloni Motorsport +4,550 sec.
 6. Townsend Bell/ USA, Arden Int. Motorsport +5,354 sec.
 7. Yannick Schroeder/ F, Superfund-ISR Charouz +15,858 sec.
 8. Jeffrey van Hooydonk/ B, Team Astromega +16,835 sec.
 9. Bernhard Auinger/ A, Red Bull Junior Team F3000 44 Rd
10. William Langhorne/ USA, BCN F3000 43 Rd

Nicht gewertet:
Giorgio Pantano/ I, Durango Formula, Rde 39 (Unfall mit Sperafico)
Ricardo Sperafico/ BR, Coloni Motorsport, Rde 39 ( Disqualifikation nach Unfall mit Pantano)
Enrico Toccacelo/ I, Super Nova Racing-Jordan GP Junior Team, Rde 34 (Unfall mit Liuzzi)
Vitantonio Liuzzi/ I, Red Bull Junior Team F3000, Rde 34 ( Unfall mit Toccacelo)
Tony Schmidt/ D, Team Astromega, Rde 25 ( Aufgabe wegen starker Vibrationen)
Derek Hill/ USA, Super Nova Racing-Jordan GP Junior Team, Rde 17 ( Disqualifikation)
Phil Giebler/ USA, Den Blä Avis, Rde 0 (Aufgabe wegen starker Schulterschmerzen)

Schnellste Rennrunde:
Björn Wirdheim (S), Arden Int. Motorsport in 1:27,384 (= 137,599 km/h)
(Quelle: Rennsport-Presse-Info-Service)