European Touring Car Championship

Siege für Alfa und BMW, Punkte für Honda und Volvo

Donington - Die annähernd 20.000 Zuschauer, die den Weg ins britische Donington fanden, konnten nicht nur den strahlenden Sonnenschein sondern auch zwei atemberaubende Rennen der ETCC geniessen. Der neunte und zehnte Lauf, gleichzeitig die Halbzeit in der insgesamt zehn Veranstaltungen in zehn Ländern umfassenden FIA-Serie, war so spektakulär wie lange kein Tourenwagenrennen einer international anerkannten Meisterschaft mehr.

Gabriele Tarquini und sein Autodelta-Alfa Romeo 156 GTA gewannen den ersten Lauf des Renn-Sonntages vor Nicola Larini und Dirk Müller, während Jörg Müller nach seinem Crash am Samstag von ganz hinten bis an die vierte Position nach vorne fuhr. Dabei zeigte der BMW-Pilot einen beherzten Zweikampf mit Volvo-Pilot Rickard Rydell, der seinen Art Engineering-Volvo S60 erstmals in dieser Saison in die Punkte steuerte. Im zweiten Lauf legte der Hückelhovener dann noch einmal zu und fuhr, wenn auch begünstigt durch einen Startunfall von Tarquini und Giovanardi, in einem sensationellen Rennen zum Sieg. Ebenso beeindruckend aber war auch die Leistung der beiden Privatiers Duncan Huisman und Rickard Rydell, die hinter dem Hückelhovener auf den Plätzen zwei und drei die Ziellinie überquerten. Mit dem Resultat von Donington rückten die titelverdächtigen Piloten in der Tabelle noch dichter zusammen. Tarquini lag zwar immer noch in Führung, aber Jörg Müller war wieder bis auf drei Zähler an den Spitzenreiter herangekommen. Drei weitere Fahrer, nämlich Dirk Müller, Andy Priaulx und Nicola Larini teilten sich dahinter punktgleich mit zehn Zählern Rückstand auf Tarquini bzw. sieben auf Jörg Müller Rang drei.

Den ersten "Sieg" dieses fünften Rennwochenendes der ETCC holte sich das Schnitzer-Team bereits am Sonntag Morgen zum Warm-up. Denn die Mechaniker um Teammanager Charly Lamm brachten das Kunststück fertig, den nach einem Crash im Samstagstraining total zerstörten BMW 320i von Jörg Müller über Nacht komplett neu aufzubauen und dem sympathischen Rheinländer ein perfekt abgestimmtes Auto auf die Räder zu stellen. Mit einer Zeit von 1:41,752 Minuten und damit der schnellsten Runde bedankte sich Jörg sofort bei seinem Team. Nur eine Hundertstel dahinter liess sich Roberto Colciago mit 1:41,762 die schnellste Zeit eines Alfa-Piloten notieren. Aber auch die Privatiers zeigten sich in Donington Park nahe dem legendären Sherwood Forest, wo einst Robin Hood lebte, bestens aufgelegt. Mit einer Zeit von 1:42,161 war Rickard Rydell mit seinem Volvo S60 ganz dicht an den Zeiten der Werkspiloten dran.

Polesetter Nicola Larini versiebte den Start, denn die Vorderräder seines Alfa Romeo 156 GTA drehten beim Anfahren zu sehr durch. Dieses Problem hatten Dirk Müller und Fabrizio Giovanardi mit ihren heckgetriebenen BMW 320i nicht und so zogen sie vorbei an dem ehemaligen Deutschen Tourenwagen-Meister (im Jahr 1993 ebenfalls für Alfa Romeo) und übernahmen die Spitze. Die Freude währte jedoch nur kurz, denn bereits auf dem Weg in die erste Kurve konnten sich der Deutsche und der Italiener nicht über die Vorfahrt einigen und krachten breitseits ineinander. Davon profitierte Tarquini, überholte Giovanardi und hängte sich ans Heck von Dirk Müller's BMW. Aus dem Windschatten heraus ging der Italiener dann beim Anbremsen der Fogarthy-Schikane neben den Ex-Porsche-Junior und übernahm relativ problemlos die Führung. In der folgenden Melbourne-Haarnadelkurve verlor Dirk Müller zwei weitere Plätze, als sich Larini und Giovanardi an ihm vorbei pressten. In Runde zwei gelang es Tarquini und Larini, sich an der Spitze ein klein wenig Luft nach hinten zu verschaffen, während die BMW-Piloten um die dritte Position kämpften.

Dirk Müller versuchte nun, einerseits den vor ihm fahrenden Giovanardi zu attackieren, gleichzeitig aber auch den nachdrängenden Antonio Garcia hinter sich zu halten. Dass der Deutsche dabei nicht zimperlich war, erlebte Garcia wenig später in der Old Hairpin, wo die beiden sich berührten und der Spanier sich drehte. Bei dieser Aktion hatte Garcia's Teamkollege Giovanardi großes Glück, denn der kreiselnde BMW verfehlte ihn nur denkbar knapp. Weniger Glück hatte dafür der nachfolgende Fabio Francia im Alfa Romeo, der an siebter Stelle lag, aber in dieser Situation eine Kollision nicht vermeiden konnte. Der Aufprall war recht heftig und beide Fahrzeuge rutschten stark beschädigt von der Strecke. In Runde drei musste Priaulx mit einem schleichenden Plattfuß vorne links seine Box aufsuchen, während die Sportkommissare Giovanardi für das Vergehen gegen Larini eine Drive-through-Penalty aufbrummten. Tom Coronel gab ebenfalls mit technischem Defekt an der Box auf.

Jörg Müller, der nach seinem Crash im freien Training ohne Qualifikationszeit vom Ende des Starterfeldes hatte losfahren müssen, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Platz elf erreicht. In Runde vier steuerte Sandro Sardelli mit Getriebeproblemen seine Box an, während an der Spitze Tarquini und Larini mit einem komfortablen Vorsprung das Geschehen bestimmten. Giovanardi verteidigte immer noch seinen dritten Platz gegen Dirk Müller, während Rickard Rydell mit großen Schritten zu Roberto Colciago aufschloss. Auf der siebten Position war zu diesem Zeitpunkt Paolo Ruberti der bestplatzierte Privatier. Mit dem Ende der fünften Runde tauchte Jörg Müller bereits auf P8 des Zeitenmonitors auf, dicht gefolgt von Duncan Huisman, Alessaandro Balzan und Salvatore Tavano. In Runde sechs bog Giovanardi in die Boxengasse ab, um seine Durchfahrtsstrafe abzuleisten, womit er zahlreiche Plätze verlor. Davon profitierte zunächst Dirk Müller, der jetzt Dritter war, doch sofort wurde der Schnitzer-Pilot von Rydell und Colciago unter Druck gesetzt. Sein Namensvetter Jörg machte derweil im Mittelfeld weiter mächtig Dampf, überholte zuerst den sechstplatzierten Ruberti und eroberte wenig später auch Platz fünf von Rydell.

Balzan verlor seinen neunten Platz, weil er nach dem Abkürzen einer Schikane wie einige seiner Mitstreiter eine Drive-through-Penalty verbüßen musste. In Runde elf gewann Jörg Müller eine weitere Position, als er Colciago dessen vierten Platz abnehmen konnte. Dahinter waren zu diesem Zeitpunkt Ruberti, Huisman, Couto und Gené in einem packenden Infight um Platz sieben. Im Verlauf der zwölften Runde rutschte Eric Cayrolle in der Old Hairpin zu weit nach aussen, so dass Frank Diefenbacher sich an ihm vorbei an die zwölfte Position nach vorne schieben konnte. Auch Giovanardi rutschte noch mit durch. Vorne aber tat sich nichts mehr und so eroberte Gabriele Tarquini seinen dritten Saisonsieg vor Larini und Dirk Müller. Jörg Müller beendete eines der besten Rennen seiner Karriere als hervorragender Vierter und Rydell schnappte sich noch kurz vor dem Fallen der Zielflagge Platz fünf von Colciago, was für ihn und sein Team ART Engineering die ersten Punkte der Saison 2003 bedeutete.Ruberti und Huisman komplettierten die Punkteränge als Siebter bzw. Achter und belegten gleichzeitig die beiden ersten Plätze in der Privatfahrerwertung.

Ohne Garcia und Francia, deren Fahrzeuge zu stark beschädigt waren, startete das ETCC-Teilnehmerfeld in den zweiten Lauf. Bedingt durch die umgekehrte Startreihenfolge der ersten Acht aus Lauf eins durfte sich diesmal Duncan Huisman über die Pole Position freuen. Den besten Start erwischte jedoch Jörg Müller und ging vorbei an dem Holländer sowie Paolo Ruberti in Führung. Hinter diesem Trio kollidierten bereits in der ersten Runde Tarquini und Giovanardi in Redgate, wobei der Alfa-Pilot ins Kiesbett flog und bis zu seiner Bergung zwei Runden verlor. Giovanardi hingegen konnte zwar das Rennen fortsetzen, jedoch beeinträchtigten die Schäden an der Frontschürze und dem Kotflügel erheblich das Handling seines BMW. Während Jörg Müller an der Spitze davon zog, attackierte Ruberti Huisman im Kampf um Platz zwei. Dahinter fuhren wie an einer Perlenschnur aufgereiht Rydell, Dirk Müller, Larini, Colciago und Couto.In Runde zwei schnappte sich Dirk Müller die vierte Position von Rydell, während hinter den beiden der Zweikampf an Härte zunahm. Colciago wollte seinen Teamkollegen Larini angreifen, war beim Anbremsen der Schikane jedoch zu schnell und musste geradeaus fahren. Dadurch gewann der italienische Autodelta-Pilot zunächst einmal zwei Plätze, aber die Drive-through-Penalty liess nicht lange auf sich warten. In Runde vier erlitt Dirk Müller einen Reifenschaden, rutschte in Coppice kurzfristig von der Strecke und fuhr dann zum Reifenwechsel an seine Box. Während Colciago seine Strafe antrat, zog Priaulx vorbei an Couto an die sechste Position.

Die Abstände zwischen den drei Erstplatzierten, nämlich Jörg Müller, Huisman und Ruberti wurden von Runde zu Runde größer. Larini verteidigte seine vierte Position gegen Rydell, Priaulx und Couto, während Tavano auf diese Gruppe aufschloss. In Runde zehn gelang es Rydell, sich in der Melbourne Hairpin an Larini vorbeizupressen, womit der Volvo-Pilot an vierter Stelle lag. Dann kam die letzte Runde und die wurde zu einem Drama für Paolo Ruberti. In der vorletzten Kurve brach die Antriebswelle an seinem Clever Cats R&M-Alfa Romeo, was das Aus bedeutete. Jörg Müller aber fuhr zu einem brillianten Start-Ziel-Sieg, den nach seinem üblen Crash im Training wohl kaum jemand erwartet hätte. Auch die Privatiers Huisman und Rydell überraschten mit ihren Podiumsplätzen die Anwesenden, wenngleich Rydell von Ruberti's Pech profitierte. Larini und Priaulx verfehlten auf Platz vier und fünf das Podium, eroberten aber ebenso wertvolle Punkte wie die beiden Honda-Piloten Couto und Tavano. Ruberti's Fahrzeug rollte noch als Achter über die Ziellinie, doch der eine Meisterschaftspunkt dürfte angesichts seiner starken Leistung nur ein schwacher Trost für den Italiener gewesen sein.